Die Herausforderung und Chancen bei der Arbeit mit als gefährlich geltenden Hunden

Gemeinnützige Kooperation zwischen dem Verein Lampadino und Nadja Herren, der Präsidentin des Vereins BringUPaw Special Home. Sie ist eine ausgewiesene Fachkraft im Bereich Kynologie und Tierbetreuung.  Nadja Herren zeichnet sich durch besondere Fähigkeiten im Umgang mit "besonderen" Hunden (und Menschen 😉) aus.

 

 

Verein Lampadino: Liebe Nadja, wir freuen uns, mit dir zusammen dieses Interview durchzuführen und mehr über dich und deine Arbeit im Bereich Tierschutz und Tierwohl zu erfahren. Fangen wir doch gleich mit der ersten Frage an: Welche Faktoren können zu aggressivem Verhalten bei als gefährlich geltenden Hunden führen? 

 

Nadja Herren: Aggressives Verhalten kann bei allen Hunden durch verschiedene Faktoren wie Krankheit, genetische Veranlagung, unzureichende Sozialisation, falsche Erziehung, traumatische Erfahrungen oder Vernachlässigung ausgelöst werden. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass Aggression an sich ein normales und notwendiges Verhalten ist, um in einem sozialen Gefüge zu leben. Probleme entstehen erst, wenn Aggression übermässig oder unangepasst ist.

 

Übrigens: Nicht jeder als gefährlich eingestufte Hund zeigt Aggressionsverhalten. Fehlgeleitetes Beutefangverhalten, das oft zu Beissvorfällen führt, hat mit Jagdtrieb zu tun und nicht mit Aggression.

 

Verein Lampadino: Warum spielt eine umfassende Aufklärung der Öffentlichkeit über Hunde und ihre Bedürfnisse eine entscheidende Rolle?

 

Nadja Herren: Eine umfassende Aufklärung der Öffentlichkeit über Hunde und ihre Bedürfnisse ist entscheidend, um Vorurteile abzubauen und das Verständnis für die Verantwortung der Hundebesitzer zu stärken. Durch gezielte Information können Missverständnisse über Hunderassen, ihr Verhalten, ihre Kommunikation und ihre Bedürfnisse korrigiert werden. Dies fördert nicht nur ein sichereres Zusammenleben zwischen Mensch und Hund, sondern hilft auch, negative Stereotypen gegenüber als gefährlich eingestuften Hunden zu überwinden.

 

Die Aufklärung schafft die Basis für ein respektvolles Miteinander und fördert verantwortungsbewusstes Handeln im Umgang mit Hunden. Hundebesitzer werden ermutigt, die Bedürfnisse ihrer Tiere besser zu verstehen und darauf einzugehen, was letztlich zu einer harmonischeren Beziehung führt. Auch das Thema Rücksichtsnahme und Toleranz in der Gesellschaft bleibt wichtig, da viele Hundebesitzer an ihrer Einstellung arbeiten müssen.

 

Verein Lampadino: Wie können professionelle Betreuung, fundierte Ausbildung und eine aufgeklärte Öffentlichkeit dazu beitragen, einen nachhaltigen Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung von als gefährlich eingestuften Hunden zu initiieren?

 

Nadja Herren: Die Kombination aus professioneller Betreuung, qualifizierter Ausbildung und einer aufgeklärten Öffentlichkeit kann nicht nur die Wahrnehmung von als gefährlich eingestuften Hunden positiv verändern, sondern auch eine sichere und unterstützende Umgebung für diese Tiere schaffen. Durch spezifische Ausbildung und kontinuierliche Weiterbildung der Betreuenden (einschließlich Trainerinnen, Fachleuten und Hundehalterinnen) können präventive Maßnahmen ergriffen werden, um Beissvorfälle zu minimieren.

 

Eine fundierte Ausbildung, basierend auf den neuesten Erkenntnissen, ermöglicht eine angepasste Herangehensweise, die auf die individuellen Bedürfnisse jedes Hundes eingeht. Professionelle Betreuung bedeutet, die Sicherheit der Betreuenden zu gewährleisten und gleichzeitig die emotionale und physische Gesundheit der Hunde zu fördern.

 

Eine aufgeklärte Öffentlichkeit spielt eine zentrale Rolle beim Abbau von Vorurteilen. Durch gezielte Aufklärungskampagnen können Menschen über die Ursachen von übermäßig aggressivem oder problematischem Verhalten aufgeklärt werden und ein tieferes Verständnis für die Bedürfnisse der Hunde entwickeln. Positive Interaktionen zwischen als gefährlich geltenden Hunden und der Gemeinschaft fördern Vertrauen und tragen dazu bei, das Stigma um diese Tiere zu brechen.

 

Insgesamt ermöglichen professionelle Betreuung, fundierte Ausbildung und aufgeklärte Öffentlichkeitsarbeit eine integrative und nachhaltige Herangehensweise, um das Image der als gefährlich geltenden Hunderassen positiv zu transformieren und ein Verständnis sowie eine Toleranz für diese Hunde zu schaffen. Natürlich muss dabei die Sicherheit der Gesellschaft stets gewährleistet sein.

 

Verein Lampadino: Welche persönlichen Wünsche und Ziele verfolgen Sie in Bezug auf die Arbeit mit als gefährlich geltenden Hunden? Und welche Veränderungen wünschen Sie sich von der Gesellschaft in diesem Zusammenhang?

 

Nadja Herren: In meiner Arbeit mit als gefährlich eingestuften Hunden strebe ich danach, eine sichere und unterstützende Umgebung für diese Tiere zu schaffen. Mein Ziel ist es, durch kontinuierliche Weiterbildung und effektive Trainingsmethoden das Verständnis für das Verhalten dieser Hunde zu vertiefen und präventive Ansätze zur Minimierung von problematischem Verhalten zu entwickeln.

 

Von der Gesellschaft wünsche ich mir eine größere Sensibilisierung für die Bedürfnisse der Hunde. Hundehaltende sollten sich ihrer Rolle als Verantwortungsträger*innen bewusst sein und verhindern, dass Hunde zu „Konsumgütern“ verkommen. Es braucht bessere und bezahlbare Aus- und Weiterbildungen in den Berufen rund um den Hund, besonders in Bezug auf Gefährlichkeit, Kommunikation und Verhalten. Tierpflegende in Tierheimen sollten besser ausgebildet werden, um Gefahren zu erkennen und sicher arbeiten zu können. Oft fehlt es an Infrastruktur, Zeit und Personal, um die Arbeit sicher und effektiv zu verrichten.

 

Ich hoffe, dass die Öffentlichkeit ihre Wahrnehmung durch Aufklärungskampagnen und positive Interaktionen mit diesen Tieren transformiert. Eine Haltung, die auf Verständnis und Mitgefühl basiert, kann negative Stereotypen abbauen und zur Sicherheit und zum Wohlbefinden aller Hunde beitragen.

 

Langfristig wünsche ich mir eine Gesellschaft, die sowohl die Herausforderungen als auch die Chancen in der Arbeit mit als gefährlich eingestuften Hunden erkennt. Ziel sollte es sein, eine Kultur des Verantwortungsbewusstseins und der Unterstützung zu schaffen, um diesen Tieren eine faire Chance auf ein erfülltes Leben zu bieten. Frühe Interventionen zahlen sich aus, und das Tier sollte nicht für unser Nichtwissen oder unsere Fehler mit seinem Leben bezahlen müssen. Zwar gibt es Situationen, in denen Euthanasie angebracht sein kann, doch oft wird zu wenig Unterstützung gewährt. Die Tötung darf nicht zur gängigen Methode werden, um sich eines unliebsamen Konsumguts zu entledigen, auch nicht bei problematischem Verhalten.

 

 

Nadja Herren: Abschliessend möchte ich betonen, dass die Teilnahme an diesem Interview für mich eine wertvolle Gelegenheit war, die Bedeutung einer verantwortungsbewussten Herangehensweise an die Arbeit mit als gefährlich geltenden Hunden zu unterstreichen. Es ist mein aufrichtiger Wunsch, dass diese Diskussion dazu beiträgt, das Bewusstsein zu schärfen, positive Veränderungen zu fördern und letztlich eine sicherere und unterstützende Umgebung für diese Tiere zu schaffen. Vielen Dank für die Möglichkeit zur Reflexion und zum Austausch.